The Winner Takes It All – Melancholia und The Tree of Life

Melancholia, The Tree of Life

Bald ist es soweit. Die Oscar-Verleihung steht bevor und dann wird The Artist endlich mit goldenen Männer überschüttet. Die Spannung ist kaum zu ertragen. Es wurde ja schon mehrfach festgestellt, dass die Nominierungen keine Euphorie-Stürme auslösen und sich auch selten so deutliche Favoriten in den wichtigen Kategorien herauskristallisiert haben. Nun ja, ich werde das erste Mal seit Jahren nicht Montagnacht durchmachen und mir die Preisvergabe ansehen. Obwohl (oder auch gerade weil) ich inzwischen einige der Topfavoriten gesehen habe, strafe ich die Academy dieses Jahr mit Gleichgültigkeit. In meinen Augen hat der wichtigste Filmpreis der Welt noch nie so sehr an den wahren Meisterwerken vorbei gesehen. Daher hier meine beiden Lieblinge des Kinojahres 2011, die entweder gar nicht oder zu wenig Beachtung bei den Awards gefunden haben.

Ich denke, es ist leider eindeutig, warum Lars von Triers Weltuntergangsdrama Melancholia in keiner Weise von der Academy beachtet wurde. Der dänische Regisseur hat sich mit seinen Nazi-Kommentare nicht nur auf dem Filmfest in Cannes zu Persona non grata gemacht, sondern damit  auch seinen Film mit Sicherheit ins Abseits gestellt. Seine Hauptdarstellerin Kirsten Dunst konnte zwar noch ein paar positive Schlagzeilen durch den Gewinn von wichtigen Preisen herausholen, der Schatten der Katastrophen-Pressekonferenz reicht aber bis weit nach Hollywood. Die negative Publicity ist wirklich ein Jammer, denn der Film selber ist von so überwältigendem Kaliber, dass ihm durchaus die Überhöhung durch einen Preisregen zustehen würde. Seine Bildgewalt (und Gewalt ist hier genau das richtige Wort), seine Darsteller, seine Vision – Lars von Triers Abhandlung von Depression und Weltschmerz sind epochal, monumental und jedes noch so überschwängliche poetische Wort, das euch in den Sinn kommt. Melancholia schürft ganz tief und vermag alles offen zu legen, was es kann. Ich vergebe den Preis für die intimste Apokalypse an Lars von Trier und Kirsten Dunst.

In gleichem Maße bildgewaltig und visionär ist The Tree of Life von Terence Malick. So ähnlich sich die beiden Filme auch sein mögen, so unterschiedlich sind sie. In beiden steckt auf jeden Fall das Herzblut ihres Schöpfers. Und beide sind inhaltlich nicht auf eine Handlung runter zu brechen, weshalb ich mich hier auch immer so vage halt. Allerdings sind die Filmtitel schon sehr treffend und benennen genau das Grundmotiv. Malicks „baby“ könnte man es fast nennen, denn tatsächlich war The Tree of Life ein lange gehegtes Projekt des Regisseurs und von dieser Hingabe profitiert schließlich am meisten das Publikum. Musik und Bild verschmelzen zu einem wirklich ästhetischem Erleben, insofern als das es die körperliche Sinneswahrnehmung komplett fordert. Es ist eine andere Form des Geschichten-Erzählens, die Malick da betreibt und auf die man sich einlassen muss. Besonders um den Figuren nahe sein zu können, muss der Zuschauer der Bildsprache folgen und schlicht „mitgehen“. Brad Pitt, der ursprünglich nur als Produzent mitwirken sollte, wird seiner Rolle als strenger Familienvater gerecht, ebenso wie die für The Help oscarnominierte Jessica Chastain als Mutter. Besonders hervorheben möchte ich aber die großartige Leistung der drei texanischen Laiendarsteller, die die Söhne verkörpern. Bis zu ihrem Engagement in den Film, wussten sie nicht mal wer Brad Pitt eigentlich ist. The Tree of Life wurde für drei Oscars nominiert, darunter für Bester Film und Beste Regie. Nicht genug, wie ich finde. Da ich auch Sorge habe, dass Malick leert ausgeht, vergebe ich den Preis für das unglaublichste BluRay-Erlebnis meines Lebens an Terence Malick und Brad Pitt.

So, damit habe ich auch jetzt noch kurz vor knapp meinen offiziellen Senf zu den Oscars gegeben. Ganz gleich wer gewinnt, wir wissen doch eh was dann kommt: „Ich danke Gott und meiner Familie, dass sie mich immer unterstützt haben.“ Und so weiter und so fort…

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4 Kommentare

  1. Wohl wahr, die Oscars tangieren mich auch so wenig wie lange nicht mehr. War ich bei den Nominierungen noch voller Feuereifer dabei, wandelte sich die Euphorie schnell in Resignation und du zeigst zwei sehr schöne Beispiele auf für Werke, die einen besonderen Schaffens-Aspekt bedienen und eben nicht Stangenware nach Schema F sind und vermutlich auch gerade deshalb nicht genügend gewürdigt werden, wenngleich ich einräumen muss, dass die Sichtung von Tree of Life bei mir noch aussteht.

    Melancholia allein ist aber schon ganz großes Kino und Malicks visionäres wie sperriges Epos werde ich mir auch noch einverleiben, aber dass auch nur einer von beiden irgendeinen Preis bekommen könnte, daran glaube ich tatsächlich nicht.

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  2. Ich befürchte ja auch, dass der gute Malick leer ausgehen wird. Der Film ist wirklich großartig, genau wie „Melancholia“ auch. Zum Thema „Melancholia“ sei mir an dieser Stelle vielleicht noch mal erlaubt, einen weiteren Tipp abzugeben: „Another Earth“ http://goingtothemovies.wordpress.com/2011/11/14/in-trauter-zweisamkeit/

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  3. Wenn es um den Tree of Life geht – kommt bei mir nur ein Film in Frage: The Fountain 😉 Ok, dass passt nun nicht zu deiner Filmbesprechung, aber das ist meine vorherrschende Assoziation beim Begriff „Tree of Life“ 🙂

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